Wildhexe - Die Feuerprobe by Carl Hanser Verlag

Wildhexe - Die Feuerprobe by Carl Hanser Verlag

Autor:Carl Hanser Verlag
Die sprache: deu
Format: azw3, epub, mobi
ISBN: 9783446242821
Herausgeber: Carl Hanser Verlag
veröffentlicht: 2013-11-14T23:00:00+00:00


11 BLUT UND ROTE REGENBOGEN

Ich habe noch nie versucht mir vorzustellen, wie sich ein Kaninchenjunges in den Fängen eines Raubvogels fühlt, aber ich glaube, jetzt weiß ich es. Chimäras Gewicht traf mich wie eine Keule, und ich schlug der Länge nach auf den Boden. Ich bekam keine Luft mehr. Ihre Flügel verschluckten alles Licht um mich herum und machten mich blind, ihre Finger bohrten sich wie Messer in meinen Körper. Tumpes rasendes Knurren verwandelte sich in schmerzerfülltes Jaulen, dann war er still.

Ich erinnere mich nicht, ob ich irgendetwas dachte. Ich kann nicht sagen, ob in meinem Kopf etwas anderes Platz hatte als blankes Entsetzen und der Geschmack von Blut.

Ich konnte keinen Widerstand leisten. Ich konnte weder meine Arme noch meine Beine heben, konnte mich in ihrem Griff nicht einmal winden. Sie zerrte meine Arme nach hinten und fesselte sie mit etwas Hartem, das in meine Handgelenke einschnitt. Dann zog sie meinen Kopf zurück und legte etwas ebenso Kaltes und Scharfes um meinen Hals. Es brannte auf meiner Haut und machte mir das Atmen noch schwerer.

»Kaltes Eisen«, zischte sie direkt neben meinem Ohr. »Du brauchst es also gar nicht erst zu versuchen.«

Ich hatte keine Ahnung, wovon sie redete. Was sollte ich nicht versuchen? Und warum ausgerechnet Eisen? Es fühlte sich eher an wie Stacheldraht.

»Steh auf.«

Ich war nicht sicher, ob ich das konnte. Ich schnappte immer noch nach Luft, konnte nur jämmerlich kleine Atemzüge machen, und mein Bein fühlte sich unangenehm taub an.

Das störte Chimära nicht. Ich verspürte einen Ruck an meinem Hals, bei dem mir schwarz vor Augen wurde. Wenn ich weiter atmen wollte, blieb mir nichts anderes übrig, als aufzustehen. Beim zweiten Versuch gelang es mir, aber mein Knie stach und brannte, sobald ich das Gewicht auf mein taubes Bein verlagerte.

Das erste, was ich sah, war Tumpe.

Er lag ganz still, ein Berg aus Fell und Knochen, der viel zu klein wirkte, um der große, bärige Tumpe zu sein.

»Tumpe!« Ich versuchte, zu ihm zu kommen, aber ein weiterer Ruck stoppte mich. An dem Halseisen war eine dünne Kette befestigt, deren Ende Chimära in den Händen hielt, als wäre es eine Hundeleine und ich ein Hund. »Was hast du mit ihm gemacht?«

Sie antwortete gar nicht erst. Riss nur noch einmal an der Kette, sodass ich stolperte und beinahe hingefallen wäre.

»Abmarsch, Hexenkind«, sagte sie. »Wir haben nicht den ganzen Tag Zeit.«

Ich musste hinter ihr her humpeln, ob ich nun wollte oder nicht. Über den Hof, den Kiesweg hinunter, durch das Gatter mit den weißen Steinen. Ohne zu wissen, was sie mit Tumpe gemacht hatte. Ohne zu wissen, ob er noch lebte oder tot war.



Download



Haftungsausschluss:
Diese Site speichert keine Dateien auf ihrem Server. Wir indizieren und verlinken nur                                                  Inhalte von anderen Websites zur Verfügung gestellt. Wenden Sie sich an die Inhaltsanbieter, um etwaige urheberrechtlich geschützte Inhalte zu entfernen, und senden Sie uns eine E-Mail. Wir werden die entsprechenden Links oder Inhalte umgehend entfernen.